Wir alle wissen um die entspannende und heilsame Wirkung von Spaziergängen in der Natur und im Wald. Auch ist der Begriff Waldbaden in jüngster Zeit recht populär geworden.
Heute möchte ich Dir von etwas erzählen, was mir schon Zeit meines Lebens wichtig und von Bedeutung ist.
Es geht um die heilsame Verbindung von Mensch und Baum und um die gelebte Beziehung mit einem Kraftbaum. Was soll denn ein Kraftbaum sein, fragst Du Dich vielleicht und wie gestaltet sich die Beziehung mit einem Baum?
Genau davon werde ich erzählen. Wir alle kennen den Begriff Krafttier. Ein Krafttier ist ein Tier, dessen Eigenschaften wir schätzen und uns aneignen möchten. Krafttiere begleiten uns durch den Alltag und stehen uns in herausfordernden Situationen mutmachend zur Seite. Die Eigenschaften dieser Tiere sind ihre spezielle Medizin an uns, mit der sie uns in persönlichem Wachstum und der Entwicklung unseres Potenzials unterstützend beistehen.
Bäume sind, wie Tiere auch, lebendige Wesen. Ihr Wesen unterscheidet sich allerdings sehr von der Art der Tiere und doch ist ihre Medizin, in der so anderen Qualität, nicht weniger wertvoll. Ganz im Gegenteil! Das, was die Bäume uns mitgeben ist eine sehr kraftvolle und heilsame Medizin. Gerade in unserer schnellebigen und wurzellosen Zeit. Schauen wir näher hin und betrachten uns ihre ganz eigenen Qualitäten: Bäume sind bedingungslos gebende Wesen. Sie verschenken permanent und unaufhörlich ihren Sauerstoff in die Atmosphäre. An alle, sie urteilen und bewerten nicht. Auch sind sie beständige Wesen, trotzen Wind und Wetter. Sie leben in ihrer eigenen Zeit. Sie sind der Schnelllebigkeit der Menschen entkoppelt. In der Begegnung mit einem Baum können auch wir, wenn wir uns darauf einlassen, etwas von dieser gelassenen Langmütigkeit erspüren. Bäume verwurzeln sich. Sie wachsen nach unten und sie streben nach oben gen Himmel. Wir wissen, ein Baum wächst umso stärker und stabiler nach oben, je mehr Wurzeln er auch in den Boden schlägt. Der Anblick von Bäumen beruhigt hitzige Gemüter. Bäume zeigen uns im Kreislauf der Jahreszeiten unterschiedliche Qualitäten. Im Winter, dass Lebenssäfte nach Innen ziehen und ruhen. Im Frühling die Rückkehr von ekstatischer Lebensfreude, im Sommer das Auftanken der Sonnenenergie und das Reifen der Früchte, welche der Baum im Herbst freudig abwirft und abgibt – um dann in einem letzten Farbspektakel all seine Blätter abzuwerfen und sich für den Winter wieder in sich zurück zu ziehen. Er zeigt uns das ‚Werde-Sein & Stirb-Prinzip‘ und das kontinuierlich, beständig und unerschütterlich, Jahr um Jahr. In all unseren wilden, sich stets wandelnden Zeiten erfahren wir hier eine beruhigende und beständige Wiederkehr. Einen Ankerpunkt.
Eines meiner ältesten Lieblingsbücher trägt den Titel: „was die Bäume sagen“ und schon als Kind bin ich voller Faszination durch die Natur gestreift und habe mit all den Wesen, die mir dort begegneten, gesprochen und kommuniziert. In diesem für mich selbstverständlichen Dialog mit der Natur bekam ich immer und stets Antworten. Im Laufe meiner Teenagerzeit verlernte und vergaß ich diese Selbstverständlichkeit. In dieser Zeit rückte mein Fokus mehr in die zwischenmenschliche Welt. Das Suchen und Finden vom menschlichen Umgang miteinander rückte in den Vordergrund. Der Wunsch, die Sehnsucht und das Bedürfnis nach Gruppenzugehörigkeit und mich selbst als Teil einer Ganzheit Mensch in Beziehung stehend zu erlernen verschlang meine gesamte Aufmerksamkeit. Meine intensiven Naturerlebnisse verblassten. Obwohl ich mich stets weiterhin viel in der Natur bewegte, kam doch dieser Dialog nicht mehr zu Stande. Ich wurde hier zu einer Fremden, zumindest erlebte ich dies so. Ich genoss all die Campingurlaube, die Lagerfeuer unter freiem Himmel, die Berge, das Meer, dem Folgen kleiner Wanderpfade, das Eintauchen in kalte Bäche, Blumenwiesen zu riechen und Schmetterlinge fliegen zu sehen. Doch irgendetwas war geschehen. Ich war plötzlich nur noch Beobachterin und nicht mehr Teil dieses Paradieses. Hatte mich meine Jugend mit dem Beginn meiner sexuellen Neugier automatisch aus dem Paradies heraus katapultiert, so wie Adam und Eva damals nach dem Bissen vom Apfel der Erkenntnis?
Ich weiß es nicht. Fakt war, ich lebte mein Leben nun in der Großstadt. Über einige Irrungen kam ich dann mit 20 Jahren in den Odenwald und lebte in einer alten einfachen und recht baufälligen Mühle im schönen Mossautal. Hier lernte ich den Wandel der Jahreszeiten kennen und lieben. Hier lernte ich, Wasser kommt nicht selbstverständlich aus dem Wasserhahn. Ich holte mir aus der Quelle nebenan das Wasser ins Haus. Sanitäre Anlagen waren rudimentär kompostibler Natur. Wollte ich es im Winter warm haben, so war Holz hacken und Kohlen bestellen angesagt. Das einfache Aufdrehen der Heizkörper gab es nicht mehr. So lebte ich dort einige Jahre allein mit Hund. Dies war meine ganz eigene und persönliche Initiation. Ich lernte das Leben in seinen Basics kennen. Back to the roots. Einige Jahre später und nach weiteren Umzügen lebte ich für ca. zwei Jahre in einem ausgebauten Bus durch Spanien fahrend. Auch hier lebte und lernte ich wesentliche Dinge und verbrachte die meiste Zeit inmitten der Natur.
Im Anschluss an diese Wanderjahre wurde ich seßhafter und lebte statt in die Weite Spaniens in die Tiefe meiner Heimatstadt Frankfurt. Das Berufsleben stand absolut im Vordergrund. Tagein tagaus lebte ich für die Physiotherapie in einer Vollzeitstelle in einer wundervollen Praxis mit einem tollen Chef und Team. Und doch überkam mich schleichend und auf leisen Socken daherkommend eine Besonderheit, die wir in unserer Gesellschaft ‚Burn out‘ titulieren. Ich hatte jahrelanges Funktionieren und mich für andere aufopfernd hinter mir und fühlte mich völlig leer und ausgebrannt. Ich bekam eine temporäre Auszeit. Alle Motoren auf null. Und in genau dieser Zeit ging ich täglich raus in die Natur. Auf einer alten Streuobstwiese sollte ich auf meinen nächsten Freund und Retter in der Not treffen. Ich begegnete ihm zufällig, stolperte quasi regelrecht beiläufig über ihn. Ich hielt an. Ich stand vor einem spektakulär atemberaubend schönen und wildgewachsenen Quittenbaum. Selbst ein Blitzeinschlag vermochte diesem Baum nicht seiner Lebensenergie zu berauben. Dem Leben zugewandt wuchs er einfach aus diesem Ereignis heraus und strahlte königliche Erhabenheit aus. Dieses Sinnbild war wie geschaffen für mich und meine niederschmetternde Situation.
Täglich traf ich meinen neuen Freund. Saß ihm stundenlang zu Füßen oder wiegte sanft in seinen Ästen im Wind. Ich berührte ihn, sprach mit ihm, erzählte ihm von all meinen Sorgen, Ängsten und teilte all meine intimsten Gedanken mit ihm. Ich schrie all meine Wut hinaus, ich klagte, ich schluchzte und ich weinte… und er – er hörte mir zu, lauschte bedächtig und nahm alles gesagte in sich auf und schenkte mir sein ganzes Sein. Ich sang ihm Lieder, schenkte ihm Verse und Gedichte. Ich brachte ihm Geschenke und auch Räucherwerk mit, welche ich ihm und mir und allen allen Wesen und dem großen Geist wakan tanka widmete. Unsere erste Begegnung war im Frühjahr, mittlerweile wurde es Sommer und ich verbrachte Tage und auch ganze Nächte dort. Tags in seinem kühlen Schatten auf einer Decke liegend träumte ich mein Leben und erhielt einige Visionen. Ich heilte. Ich kam zurück zu mir und der Welt. Ich begegnete nicht nur ihm sondern auch wieder mir – in meinem stillen, unendlich weiten und glitzerndem Seelenfunkeln. Ich fühlte Heimat – in mir – an und auf diesem Baum – in mitten der Natur. Ich war wieder eins mit allem geworden. Ein Teil des Ganzen. Ein Sternenkind in, mit und von dieser Welt. Ich fühlte mich gesegnet.
Bis in den Spätherbst und Winter hinein besuchte ich regelmäßig meinen Baumfreund. Manchmal brachte ich sogar Freunde mit. Er wurde ganz selbstverständlich ein Teil von mir, meiner Familie und meiner Geschichte. Auch als mein Leben wieder an Fahrt aufnahm und ich zaghafte Schritte zurück ins Berufsleben wagte, besuchte ich meinen Freund und band ihn ein in meine Entwicklung. Ich dankte ihm und er dankte mir. Unsere Verbindung war wie Atmen, ein miteinander Tanzen, ein Ein- und Ausatmen geworden. Ein Organismus. Nichts war mehr getrennt. Wir waren eine Einheit, miteinander verwoben und verschmolzen. Ich lernte von ihm das Baumwesen und er von mir was Menschsein ausmacht.
Eine so wertvolle und heilsame Freundschaft! Ich schliesse auch weiterhin in meinem Leben Freundschaften mit anderen Bäumen und auch Kraftplätzen in der Natur und doch ist meine eine Freundschaft mit dem Quittenbaum aus dieser speziellen Zeit ein prägender wertvoller Juwel, welchen ich auf immer in meinem Herzen trage.
Vielleicht inspiriert Dich unsere Geschichte, ebenfalls eine heilsame Freundschaft mit einem Baum einzugehen.
Ich wünsche es Dir von ganzem Herzen, denn sie wird Dich zutiefst verwandeln und nach Hause zu Dir geleiten.