Shopping-Tour nach Verbania

Auf der Hinfahrt – nur ein Auto vor uns -fast nix los auf den Straßen.

Nach fast einem Monat Bergidylle wagen wir uns vom Berg herab in den nächst größeren Ort zum Einkaufen. Jetzt muss man dazu wissen, dass wir per Gesetz her unsere derzeitige Kommune nicht verlassen dürfen. Geschieht dies doch, muss es dafür einen triftigen Grund geben. Bei uns oben im Dorfladen gibt es kein Biogemüse, keine glutenfreie Produkte und keine Milchalternativen und auch frisches Fleisch gibt es hier nicht. Das ist also ein triftiger Grund einmal nach etlichen Wochen selbst hinunter zum Einkaufen zu fahren. Wir fragen Nachbarn und Freunde, ob wir ihnen etwas mitbringen können. Natürlich – und so wird unsere Einkaufsliste eine recht lange Liste.

Wir wollen in der Früh starten, da einige Geschäfte über Mittag schließen. Wir brechen gegen 9:30 Uhr auf. Schönstes Wetter, blauer Himmel, Sonnenschein. Der Lago tanzt im Schein des Lichts. Das Auto springt sofort an. Wir packen Einkaufstaschen ins Auto und gehen nochmal durch, ob wir auch wirklich alles dabei haben.

Wir brauchen eine selbst ausgefüllte Deklaration. Einen Vordruck, auf dem wir unsere Daten angeben und den Grund, warum wir uns von A nach B bewegen. Im Falle einer Kontrolle müssen wir diesen vorweisen können. Selbstverständlich auch unsere Ausweisdokumente!
Dann geht es also los! Auf große Reise. Wie ungewohnt ist es, im Auto zu sitzen. So weit weg der jetzigen Normalität. Als erstes machen wir einen kurzen Zwischenstopp bei dem jungen Ziegenhirten-Paar hier im Dorf. Auch sie hätten gerne noch etwas aus der Stadt mitgebracht bekommen.

Weiter geht’s. Unten an der Seeuferstraße angekommen, fällt diese erstmal durch Abwesenheit des Autoverkehrs auf. Vereinzelt fährt mal ein Auto.
Der kurze Abstecher in die Apotheke wird gleich eine erste Erinnerung daran, dass diese Zeiten besonders sind und besondere Bedingungen herrschen. Automatismus – ich betrete die Apotheke. Da steht schon eine Person vorne und wird bedient. Der Apotheker hinter der Plexiglasscheibe hebt und winkt hektisch seinen Zeigefinger. Achja, stimmt ja…es darf sich mit dem Apotheker nur eine weitere Person im Laden aufhalten. Rasch trete ich rückwärts wieder aus. Die Post nebenan hat komplett geschlossen. Ich erfahre, sie hat nur noch an bestimmten Tagen auf. Heute also nicht.

Wir fahren weiter. Der Strand unten in Cannero liegt verlassen und idyllisch da. Wie schön wäre jetzt ein kleiner Spaziergang an der Uferpromenade, die Füße kurz in den See halten um fest zu stellen, dass die Wassertemperatur noch recht kalt ist. Eisbaden muss ausfallen. Wir fahren weiter nach Verbania.

Auch hier kaum ein Auto unterwegs, einige wenige Menschen zu Fuß, bedächtig, ohne Eile und meist mit Mundschutz. Auch in den Autos sehen wir, tragen die Menschen meist einen Mundschutz. Ich habe meinen nicht auf, Steffen schon. Ich habe meinen allerdings griffparat, falls wir in eine Kontrolle kommen sollten. Aber alles wirkt friedlich, so ruhig und still. Eine italienische Stadt im Dornröschenschlaf. Unseren ersten Stopp machen wir beim Marokkaner. Leider gibt es derzeit keinen frischen Koriander. Denn dieser wird direkt aus Marokko per Flugzeug importiert. Kein Flieger – kein Koriander. 🙁
Dafür kaufen wir hier das frische Fleisch für unseren Freundeskreis. Weiter geht’s zum Tiershop Zootecnica. Wir benötigen Hühnerfutter und kaufen auch gleich noch einige junge Gemüsepflanzen für unseren Garten. Und hey, ich ergattere sogar noch zwei Töpfe frischen Koriander 🙂

Jetzt folgen Bioladen und großer Supermarkt. Im Bioladen ist es gemütlich, es dürfen zwar mehrere Personen hinein, aber nicht aus einer Familie. Steffen wartet vor der Tür und hatte ich gehofft, mal eben schnell auf Toilette springen zu können – weit gefehlt. ‚Für den Publikumsverkehr gesperrt‘ Oha! Meine Blase füllt sich so langsam. Im großen Supermarkt ist nur ein Eingang offen, nomalerweise kann man von beiden Seiten eintreten. Nun nicht mehr. Steffen lässt mich aussteigen und fährt nochmal zum Tierladen zurück. Wir haben den großen Sack Hundefutter für die beiden Adoptivhunde einer Freundin vergessen. Da wir eh nicht gemeinsam einkaufen dürfen, gehe ich schon einmal vor. Steffen kommt später nach. Ich kann auch unmöglich unsere Einkäufe und die des halben Dorfes in einem Einkaufswagen verstauen. Ich werde von zwei Wachmännern begrüßt. Sie sind gut drauf und scherzen. Wir sind alle mit Mundschutz und Handschuhen ausgestattet. Sie messen mir Fieber, indem sie mir ein Gerät an die Stirn halten. Ein wenig komme ich mir vor, wie in einem Science-Fiction-Film. Im Laden ist es entspannt leer. Ich mag diesen Laden nicht besonders. Er ist einer von der Sorte ‚Gigant‘ mit unendlichen Regalfronten, lange Kilometer legt man hier zurück und schon beim Eintreten spürt man, wie der Laden einem förmlich jede Energie aussaugt und man zum puren Konsument degradiert. Allerdings ist es der einize Laden hier in der Stadt, der wilde Blaubeeren führt. Ich sehe diese sind im Preis gestiegen. So what, ich nehme sie trotzdem. Mir scheint, ich bin die Einzige, die sie kauft. Das Regal ist immer voll. Der Einkaufswagen auch bald und Steffen, den ich hier ‚zufällig‘ treffe, fährt ebenfalls einen vollen Wagen vor sich her. Das wird noch lustig werden, wir fahren einen kleinen Dacia Sendero und keinen Bus.
Aber wir verstauen alle Einkäufe und weiter geht’s zum Discounter. Nicht der mit A sondern der, der mit L beginnt. Hier stehen wir dann zum ersten mal in einer Schlange vor dem Einlass. Immer schön mit einem Meter Mindestabstand. Hier kontrollieren auch die Wachmänner wann wieviele Personen eintreten dürfen. Fieber wird hier allerdings nicht gemessen. Zwei gefüllte Einkaufswagen und gefühlte Stunden später, fix und foxy, schafft Steffen es tatsächlich noch all die Einkäufe in unserem Auto zu verstauen und das, obwohl sich mittlerweile noch zwei Wachtelhennen dazugesellt haben. Die hat Steffen noch im Tierladen mitgenommen. Wir haben bereits zwei, nun sind sie zu viert.

Routine brechen war heute morgen das Motto, so gönnen wir uns erstmal ein Eis. So völlig unkonform, mit Vanillegeschmack und Schokoladenüberzug.
Ja, manchmal ist auch das drin. Wobei ich zu Hause für uns leckere Eisvarianten aus Obst selbst herstelle. Die schmecken mir ehrlich gesagt besser. Nun gut, in diesem Moment, in dieser Situation schmeckt auch dieses Eis herrlich und holt mich wieder runter. Es ist mittlerweile schon 14:30 Uhr! Noch ein letzter Supermarkt, dann haben wir es geschafft! Ich warte draussen. Es stellt sich nur Steffen in die Warteschlange. Ich genieße das Wetter, die Sonne und den blauen Himmel und bewache unser Auto.

Auch hier gefühlt eine Stunde später machen wir uns auf den Rückweg. Zeit hat keinerlei Bedeutung heute. Uns war klar, dass wir mehr oder weniger einen Tag mit Einkaufen verbringen werden. Und da das Auto nun wirklich rappelvoll ist, ist es Zeit heimzukehren.

Wir haben die Uferstraße schon wieder hinter uns gelassen und beginnen damit, das Auto den Berg hoch zu quälen, als uns der Dorfpolizist entgegen kommt. Wir grüßen, aber er schaut recht grimmig drein. Kann es sein, dass er uns unter unseren Masken nicht erkannt hat? Ja, denn keine zwei Minuten später taucht er hinter uns auf und winkt uns anzuhalten. Ob wir gerade aus Deutschland kommen würden fragt er uns. Mit Sicherheit hat ihn das deutschen Kennzeichen verwirrt.
Die Sache ist schnell geklärt. Mittlerweile hat er uns auch wieder erkannt. Er nimmt unsere Deklarationen, kontrolliert die Ausweise, sammelt kurzfristig all unsere Einkaufszettel ein um sie zu fotografieren als Beweislage, dass wir dies nicht oben im Dorf kaufen konnten. Er erzählt uns, dass vor ein paar Tagen Schweizer eingereist seien. Die Grenzen sind nicht komplett dicht, allerdings sollten die Einreisenden 14 Tage Eigenquarantäne einhalten. Aber wer soll das denn noch kontrollieren können. Er verabschiedet sich mit den Worten, dass er hofft, dass wir unseren nächsten Monatseinkauf im Mai wieder unter ganz normalen Bedingungen tätigen können.

Das bleibt abzuwarten.
Zu Hause angekommen, laden wir unsere eigenen sowie die mitgebrachten Einkäufe aus und wundern uns beide sehr darüber, wie erschöpft und müde wir nach dieser Einkaufstour sind. Heute werden wir mit Sicherheit nicht alt. Heute gehen wir früh ins Bett.

Eines habe ich noch vergessen zu erwähnen…bevor mir meine Blase dann wirklich endgültig zu platzen drohte, erleichterte ich mich relativ abenteuerlich auf einem Supermarktparkplatz im Beifahrerraum in ein Einmachglas. 😉